Politik & Gesetze

Digitalisierung – nicht ohne meinen Arzt

Die Digitalisierung schafft ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen in Arztpraxen. Das muss behoben werden, damit die elektronische Patientenakte und Co. im Versorgungsalltag ankommen.

Viele Jahre herrschte Stillstand in der Digitalisierung im Gesundheitswesen, jetzt gibt es kein Gesetz aus der Feder des Bundesgesundheitsministers, das ohne sie auskommt. Die Dämme sind gebrochen und im Eiltempo wird nun längst Überfälliges angeschoben. Dabei dient die Corona-Pandemie als zusätzlicher „Brandbeschleuniger“ und sorgt für eine plötzliche Prominenz digitaler Lösungen in der Gesundheitsversorgung. So verwandelte beispielsweise die Videosprechstunde ihr Nischendasein in eine echte Chance, um die ärztliche Versorgung unterbrechungsfrei fortsetzen zu können.

Hand in Hand mit der Euphorie über den Digitalisierungsschub geht allerdings auch die Ernüchterung, sobald es um die Umsetzung der digitalen Vorhaben in Arztpraxen geht. Vieles wurde mit heißer Nadel gestrickt und im Tunnelblick aufgesetzt, ohne dass alle im Versorgungsprozess Beteiligten einbezogen wurden. Die Folge ist, dass jetzt vor allem Ärzte mit einem deutlichen Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen digitaler Lösungen konfrontiert werden. Man hört von einem „digitalen Burn-Out“, der den Praxen drohe.

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Patienten ist Voraussetzung, damit die Digitalisierung im Gesundheitswesen gelingt. Dafür muss die Unverhältnismäßigkeit in der „Spahn’schen Erntezeit“ behoben werden. Dies gelingt, indem Ärzte als Hauptansprechpartner von Patienten bei der Nutzenstiftung von digitalen Lösungen ebenfalls adressiert werden. Nur in Kooperation mit Ärzten entfalten sie ihren Nutzen. Denn wer, wenn nicht Ärzte, begleiten Patienten durch die einzelnen digitalen Anwendungen im jeweiligen Behandlungskontext? Wer pflegt und befüllt gemeinsam mit dem Patienten die ePA mit wichtigen medizinischen Daten?

Ein Blick auf den Fahrplan der Telematikinfrastruktur für die nächsten Jahre zeigt, dass der Digitalisierungszug jetzt erst seine Fahrt aufgenommen hat. Die einzelnen Anwendungen der Telematikinfrastruktur werden stufenweise enger vernetzt und tiefer in die Versorgung integriert. Es wird Zeit, dass Arztpraxen zu aktiven Mitgestaltern werden.