Wenn eine Versicherte heute einen Termin im Krankenhaus oder in einer ärztlichen Praxis wahrnimmt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihre elektronische Patientenakte genutzt wird, sehr gering. Weder sind Patientinnen und Patienten genug aufgeklärt, noch Ärztinnen und Ärzte oder ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei könnten gerade Letztere eine führende Rolle bei der Pflege der ePA einnehmen, denn der Gesetzgeber hat hier ausdrücklich die Möglichkeit eingebaut, die Übertragung der Daten in die ePA an qualifiziertes Praxispersonal zu delegieren.
Die Gründe für den schleppenden Start sind vielschichtig. Mangelnde Aufklärung sowohl auf Patientenseite als auch auf der Seite der Behandelnden dürfte ein Hauptgrund sein. Schließlich schlägt derzeit eine kaum noch überschaubare Menge an neuen digitalen Pflichtanwendungen in Arztpraxen auf. Dazu kommt, dass der Anreiz für Leistungserbringer nicht groß genug ist, die ePA aufzurufen und Daten einzupflegen. Denn die derzeitig angesetzte Vergütungsziffer deckt keinesfalls den Beratungsaufwand ab, der in der Praxis notwendig ist. Auch bringen erst die Funktionen ab der zweiten ePA-Stufe wirklichen Mehrwert in den ärztlichen Behandlungsalltag. Dazu kommen außerdem diverse Vorbehalte und Fehlinformationen bezüglich Datensicherheit und Datenschutz. Es ist zu befürchten, dass die laut Bundesgesundheitsministerium anvisierte Nutzung im ersten ePA-Jahr von 20 Prozent ein utopisches Ziel bleiben wird.
Dieses Problem sieht auch der SVR-Gesundheit und fordert deshalb eine Opt-out-Option. So soll laut des Rates die elektronische Patientenakte grundsätzlich für alle Bürgerinnen und Bürger eingerichtet werden. Und auch die Patientendaten sollen automatisch nach jedem Arztbesuch in die ePA eingetragen werden. Natürlich hätte jede Nutzerin und jeder Nutzer das Recht, der Einrichtung jederzeit zu widersprechen und Inhalte gegenüber einzelnen Leistungserbringenden gezielt zu „verschatten“.
Sollte die ePA trotz verstärkter Informationskampagnen und weiterem Ausbau sinnstiftender Funktionen keine flächendeckende Verwendung finden, wäre die Einführung einer Opt-out-Option eine Überlegung wert. Nur wenn Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) regelmäßig im Behandlungskontext genutzt werden, kann sich ein routinierter Umgang mit ihnen durchsetzen.
Die Empfehlungen des SVR-Gesundheit schlagen sich oft in gesetzlichen Vorhaben nieder. Es wird also spannend, ob die Opt-out-Option der ePA in der neuen Legislaturperiode ihren gesetzlichen Rahmen finden wird. Wichtig ist dabei, dass auch an die direkte Aufnahme des Notfalldatenmanagements (NFDM) sowie des elektronischen Medikationsplans (eMP) gedacht wird. Mit diesem Trio wäre man in puncto Patientensicherheit einen großen Schritt weiter.