Der Praxissoftware-Markt bietet ein breites Spektrum an Lösungen, aus denen Arztpraxen genau jene Software wählen, die ihrem individuellen Geschmack entspricht und die Anforderungen ihres Praxisalltages erfüllt. Die Angebote unterscheiden sich in ihrer Fachrichtungsorientierung, ihren Ergonomie-Konzepten, ihren Betriebssystemumgebungen, ihren Modul- und Preismodellen und zuweilen auch im Fokus auf bestimmte Regionen. Es besteht seit vielen Jahren ein funktionierender, hart umkämpfter Markt mit einem lebendigen Wettbewerb – ganz so, wie man sich dies als Kundin oder Kunde in einer Marktwirtschaft wünscht.
Dieser gesunde Wettbewerb sorgt dafür, dass jährlich tausende Praxen ihre Software wechseln. Das zeigt eindrucksvoll die KBV-Statistik der Systeminstallationen, die die jeweiligen Veränderungen zum Vorquartal – und damit die Zahl der Wechsler – ausweist. Hochrechnungen gehen von jährlich etwa 4.000 bis 5.000 Systemwechseln in Arztpraxen aus. Hinzu kommen pro Jahr bis zu 10.000 komplexe Datenmigrationen durch Übernahmen, Trennungen und Zusammenführungen von Praxen mit oft unterschiedlichen Systemen.
Nahezu jede Systemumstellung bedingt heute die Konvertierung von Daten. Sehr oft ist die Bereitschaft zum Programmwechsel mit der Bedingung einer guten Datenkonvertierung verbunden. Auch deshalb ist die Aufmerksamkeit der Branche für dieses Thema seit jeher groß.
Sowohl für die Übernahme als auch die Zusammenführung und Trennung von Daten existieren am Markt ausgereifte und kontinuierlich weiterentwickelte Prozesse und Tools. Seit vielen Jahren hat sich in der Branche ein praxisnaher und ständig weiterentwickelter technischer Standard für die Datenmigration etabliert. Bei den meisten Anbietern gibt es eigene Teams von Spezialistinnen und Spezialisten, die sich ausschließlich mit dem Thema „Datenmanagement“ befassen und Arztpraxen bei der Datenmigration begleiten.
Selbst in kleineren Praxen gilt: Die Umstellung auf eine neue Software ist ein Projekt, das einer guten Vorbereitung und der Bereitschaft des Teams bedarf, sich auf Neues einzulassen – und sei es nur, das geliebte „F3“ für den Aufruf des Rezepts zu vergessen und das Ergonomie-Konzept der neuen Software zu akzeptieren. Die Praxissoftware-Anbieter bieten dafür im Ringen um die Entscheidung der Praxis umfassende und in langjährigen Erfahrungen gereifte Konzepte für Planung, Umstellung und die ersten Tage danach an.
In Kenntnis dieser Realitäten überrascht es, dass in den vergangenen Monaten – wieder einmal – von Politik und Selbstverwaltung der Ruf nach einem trivialen, von der Praxis selbst durchführbaren „Ein-Klick-Systemwechsel“ lauter wird.
Dieser Wunsch nach „einfach und damit billig“ ist menschlich sehr nachvollziehbar, jedoch weit von der Realität einer jeden Datenmigration entfernt. Die Komplexität und Vielfalt der Daten in der ambulanten Versorgung, allein die unterschiedlichen Abrechnungen an die KV, für Selektivverträge, die Berufsgenossenschaften, die Privatpatienten, Datensammelstellen für Vorsorge- und DMP-Programme, bedingen eine Vielzahl von Daten. Die den Wettbewerb fördernde und vom Markt gewünschte Vielfalt von Programmdesigns und Datenhaltungskonzepten bedingen zudem ein individuelles Vorgehen bei jeder Datenübernahme oder -zusammenführung. Dies ist im Übrigen keine Besonderheit von Praxissoftware, denn jede Software-Branche kennt diese Herausforderung. Mittlerweile ist Datenmigration eine eigenständige Spezialisierungsrichtung in einem Informatik-Studium.
Jeder Nutzer, der bereits versucht hat, sein E-Mail-Programm zu wechseln oder von einem Android- auf ein Apple-Smartphone (oder umgekehrt) umzusteigen, weiß, wie weit weg die Vision vom „Ein-Klick“-Umstieg bereits bei solch trivialen Vorgängen ist; eine Praxissoftware ist unendlich komplexer und vielschichtiger.
Statt also – mit welcher eigentlichen Motivation auch immer – die fatale Legende vom niedergelassenen Arzt als seinem eigenen IT-Administrator zu pflegen, der neben der Wartung seines Konnektors auch mal eben eine Datenübernahme selbst durchführt, gilt es, endlich praxistaugliche, die Versorgung tatsächlich verbessernde digitale Anwendungen zu konzipieren, widerspruchsfrei und ergonomisch umsetzbar zu spezifizieren und die Praxen von wirtschaftlichen Belastungen freizustellen, die ihnen durch die Digitalisierung entstehen.
Die Frage, welches der Systeme, die diese Vorgaben im Rahmen von Zertifizierungsverfahren erfüllen, eine Ärztin oder ein Arzt dann nach persönlichen Kriterien für ihre eigene freiberufliche Praxis auswählt, darf man getrost der Praxis selbst und damit dem Markt überlassen. Hier benötigen die Praxen weder Welpenschutz noch Nachhilfe oder Belehrungen.